Frei Schnauze

Artgerecht oder artgerechtER?

Ohne Frage ist die artgerechte Haltung von Tieren sehr wichtig und sollte Grundvoraussetzung für deren Haltung sein. Trotzdem habe ich bemerkt, dass es immer mehr darum geht wer sein Nagetier artgerechtER hält. Was eigentlich ein Geschenk fürs Tier und eine Unterstützung von Nagetierhaltern untereinander sein soll, wird zum Wettkampf. In diesem geht es nicht darum wer sein Tier artgerecht hält, nein – es geht darum wer seinem Tier mehr bieten kann und somit der „artgerechtere“ Halter ist. Was soll das?

Alles für den Wettkampf

Immer wieder sieht man, wie sich Nagetierhalter untereinander vergleichen und damit prahlen ein artgerechteres Zuhause für den Nager zu haben. Nicht nur, dass dadurch ein Wettkampf entsteht, auch andere Halter werden auf diese Weise schlecht geredet und als nicht artgerechte Tierhalter bezeichnet. Aber jetzt mal ehrlich was soll das denn? Nur weil jemand nicht den Platz für ein 150x50cm Gehege für seinen Hamster hat, kann man ihm sowas wohl nicht vorwerfen. Natürlich hat der Begriff „artgerecht“ wahrscheinlich für uns alle eine eigene Interpretation und Bedeutung. Aber nur weil man einen hohen Maßstab an seine eigene Tierhaltung hat, hat man noch lange nicht das Recht andere zu verurteilen, die ihrem Tier diesen Luxus nicht bieten können. Dann hört man, dass Leute runtergemacht und angegriffen werden, weil sie ihren Hamster „nur“ auf Mindestmaße halten oder wegen Kleinigkeiten kritisiert werden. Wenn die Grundvoraussetzungen für eine artgerechte Haltung (z.B. geeignetes Gehege mit entsprechenden Maßen, Einrichtung und Futter) gegeben sind sollte man sich doch nicht auf solche Kleinigkeiten fokussieren wie 30 oder 35cm Einstreuhöhe, 100er oder 120er Gehege usw. Ganz ehrlich Leute, lasst die Kirche mal im Dorf. Eigentlich sind wir doch alle Gewinner, wenn wir unsere Tiere artgerecht halten! Dabei sollte es nicht darum gehen, wer dem Tier mehr materielle Dinge bieten kann. Außerdem solltet ihr das für euer Tier tun und nicht um irgendwelche Lohrbeeren zu ernten oder um besser als andere Tierhalter dazustehen.

Selbst Tierheime und Pflegestellen werden zum Opfer

Kaum zu glauben oder? Aber selbst gemeinnützige Organisationen, die Tiere retten, fallen solchen Kritiken und Angriffen zum Opfer. Mehrmals habe ich nun schon gehört, dass Pflegestellen schlecht gemacht werden, weil sie nach spontanen oder großen Rettungsaktionen Hamster in Samlas unterbringen, die meist minimal unter der Mindestgröße liegen. Klar sollte eine Pflegestelle eine gute Haltung verkörpern und diese auch vorzeigen können. Dann wird die Größe der Samlas (nur wenige cm kleiner als das Mindestmaß) schließlich als nicht artgerecht bewertet und kritisiert. Aber euch ist bewusst in welchem Miniknast die Hamster zuvor gelebt haben oder? Dagegen ist dieses Gehege ohne Frage ein Traum! Man sollte seinen Hamstern natürlich ein Gehege mit dem entsprechenden Mindestmaß oder größer bieten. Aber Pflegestellen und Tierheime bekommen häufig unerwartete Großnotfälle oder haben nach der Aufnahme einer Notnase plötzlich 10 Babys im Gehege sitzen. Um so viele Hamster auf einmal unterzubringen ist es nicht möglich 20 verschiedene Gehege in den Maßen 120×50 unterzubringen. Wobei die angebotenen Samlas meist nur als Notlösung herhalten und keine Dauerzuhause bleiben – immerhin wird das Tier im Normalfall weiter vermittelt. Dabei ist es in gewisser Weise ja auch schön, wenn sie ein noch größeres und schöneres Gehege erwartet. Denn das ist auch der Grund, warum die meisten Pflegestellen keine oder kaum Gehege über dem Mindestmaß anbieten. Wenn ein Hamster dort in einem 150er Gehege lebt, gewöhnt er sich an den vielen Platz und würde nur schwer damit zurechtkommen plötzlich in ein viel kleineres Gehege ziehen zu müssen.

Nicht jeder hat die gleichen Möglichkeiten

Außerdem sollte man auch mal darüber nachdenken, dass einfach nicht jeder Nagerhalter die selben Voraussetzungen und Möglichkeiten hat. Manch einer hat vielleicht einfach nicht den Platz oder das Geld für ein riesiges Gehege oder zehntausend verschiedene Leckerlis. Doch um Gottes Willen das heißt doch nicht, dass dieses Tier nicht artgerecht lebt! Lieber einen Nager in einem Gehege mit Mindestmaße, der viel Zuneigung und Aufmerksamkeit erhält als einen in einem übergroßen Käfig, der seinen Körnergeber kaum zu Gesicht bekommt. Selbstverständlich ist es schön, wenn man seinem Tier viel bieten kann. Aber es kommt eben nicht nur auf die materiellen Dinge an und man muss sich doch nicht immer auf solche geringfügigen Kleinigkeiten fokussieren und darauf herum hacken. Es mag Leute geben, denen das Mindestmaß nicht reicht und die so kein Tier halten möchten. Aus der Sicht anderer ist dies allerdings absolut ausreichend. Es ist auch völlig okay, wenn ihr diese Ansicht habt. Aber es ist nicht in Ordnung andere anzugreifen und sie zu kritisieren, weil sie diese nicht mit euch teilen.

Fazit:

Wenn die Standards einer artgerechten Haltung gegeben sind, gibt es aus meiner Sicht nur Gewinner. Deshalb sollten wir aufhören immer zu versuchen, die/der Beste zu werden und einfach an das Wohlergehen unserer Tiere denken. Tierhalter sollten sich und ihre Haltung nicht als Konkurrenz betrachten, sondern sich gegenseitig unterstützen.